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PROFINET Handbuch

DEFINITION Prozessinformationen: Prozessinformationen oder Prozessdaten sind diejenigen Informationen, die dazu gebraucht werden, um den physikalischen Prozess zu steuern oder zu regeln.

Sie sind in der Regel nicht sehr umfangreich. Dafür sind die Anforderungen an die Qualität dieser Daten relativ hoch.

Beispiele:

a)Die genaue Position des Fahrstuhles wird zur Kontrolle der Antriebssteuerung verwendet. Somit ist die Zuverlässigkeit dieser Meldung punkto Genauigkeit und Zeitverzögerung sehr wichtig.

b)Eine Raumklimaregelung verwendet die Temperatur von einem Temperaturfühler: Auch dieser Wert sollte aktuell sein und innerhalb gewisser Grenzen richtig. Vor allem sollte er auch aus dem richtigen Raum kommen.

c)Ein Greifarm sollte in zwei Richtungen X und Y in eine Position fahren. Die gemessenen aktuellen Werte für X und Y sollten einen Zusammenhang haben, damit eine Bestimmung der Position in der Ebene möglich ist.

d)Eine Regelung eines Antriebes verlangt Stützwerke nach regelmässigen Zeitabständen (Abtastintervallen). Wenn diese Zeitabstände nicht genügend regelmässig sind, stimmt die Regelungsmathematik nicht mehr.

Prozessdaten haben somit folgende Eigenschaften:

1.Die Datenmenge ist relativ klein.

2.Die Zuverlässigkeit der Werte muss bekannt sein, d.h. wie gross ist die Wahrscheinlichkeit eines falschen Wertes.

3.Der Wert ist nur eine gewisse Zeit gültig und veraltet nachher und wird wertlos

4.Der Wert ist zu einem bestimmten Zeitpunkt festgehalten worden. Insbesondere wenn mehrere Werte miteinander in Bezug stehen, ist dieser Zeitpunkt wichtig.

5.Der Messwert ist an einem bestimmten Ort festgehalten worden. Wenn an mehreren örtlich getrennten Punkten derselbe Wert gemessen oder gestellt werden muss, dürfen maximale Zeitabweichungen auftreten.

Somit müssen wir die Fragen nach der Konsistenz und Triggerung der Datenkommunikation näher untersuchen.

Wenn Informationen übertragen werden tritt automatisch eine Zeitverzögerung ein. Diese Zeitverzögerung wird in der Automatisierung als Reaktionszeit (response time) bezeichnet.

DEFINITION Reaktionszeit (response time): die Zeit zwischen Ereignis und Reaktion bedingt durch die Verzögerung in den Leitungen und Geräten.

Es tritt ein Ereignis ein und die Frage stellt sich, wie lange darf es dauern, bis das System dieses Ereignis erkennt oder auf dieses Ereignis reagiert.

Definition der Latenzzeit

Bild 16: Definition der Reaktionszeit

Offensichtlich ist die Reaktionszeit die Summe aller Verarbeitungszeiten und aller Übertragungszeiten.

DEFINITION Übertragungszeit (transmission time): die Zeit die eine Meldung vom Sender zum Empfänger braucht. Diese setzt sich zusammen auf der Signallaufzeit plus der Durchlaufzeit der Treiber und Empfänger.

DEFINITION Signallaufzeit: die Zeit die ein Signal von A nach B benötigt.

Wir machen hier ein konkretes Beispiel von einem Leistungsschütz, der bei einem gemessenen Ereignis anziehen soll. Der Sensor hat eine Filterzeit von 5 ms, die Steuerung hat eine Zykluszeit von 10ms und der Schütz hat eine Anzugsverzögerung von 30 ms. Somit bleibt, bei einer maximalen Reaktionszeit von 50 ms für das Netzwerk eine maximale Übertragungszeit von 2,5 ms pro Meldung.

Beispiel der Latenzzeit bei einem Leistungsschütz

Bild 17: Beispiel der Reaktionszeit bei einem Leistungsschütz

Es ist nun möglich, dass diese Verzögerungen d.h. die Übertragungs- und Verarbeitungszeiten unterschiedlich sind, d.h. die Reaktionszeit nicht Konstant ist. Man spricht in diesem Fall von einem Jitter.

DEFINITION Jitter: Veränderung des Wertes einer Zeit bei jeder Messung.

Ein Jitter macht die Korrektur von Reaktionszeiten durch eine nachträgliche Korrektur unmöglich.

Es bleibt jetzt noch die Frage zu klären: Wann werden die Werte der Variablen, die Eingänge und Ausgänge der Funktionsblöcke übertragen? Es werden dabei zwei grundsätzlich unterschiedliche Mechanismen unterschieden: ereignisgesteuert (Event-Triggered) oder zeitgesteuert (Time-Triggered).

 

Ereignisgesteuert

Bild 18: Ereignisgesteuert

Bei einem ereignisgesteuerten Netzwerk wird nur ein Wert von einem Funktionsblock übertragen der einen veränderten Wert hat. Dies führt zu einem sehr effizienten System, in dem das industrielle Netzwerk nur wenig belastet wird. Wie erkennt aber der Empfänger, dass ein Messwert fehlt und er somit einen veralteten Wert hat? Es wird ein zusätzliches Kriterium eingeführt: wenn der Wert sich während einer gewissen Zeit nicht verändert hat, wird der aktuelle Wert als Lebenszeichen wiederholt. Wenn dieses Lebenszeichen fehlt, kann der Empfänger somit einen veralteten Wert feststellen. Dieses Zeitintervall muss somit kürzer sein, als das maximale Alter der Prozessdaten (maximale zeitliche Inkonsistenz).

Die Berechnung einer maximalen Reaktionszeit bei einem ereignisgesteuerten Netzwerk setzt voraus, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der einzelnen Ereignisse bekannt sind. Nur in diesem Fall kann mit der Theorie des „Network Calculus“ eine maximale und garantierte Reaktionszeit berechnet werden.

Die einfachste Realisierung eines Zeittriggers ist, wenn jeder Teilnehmer eine eigene Uhr hat (dezentraler Zeittrigger). Im einfachsten Fall arbeiten alle Uhren asynchron und werden nicht synchronisiert. Wenn ein einziger System-Master, der so genannte Scheduler, die einzelnen Signale auf dem verteilten System abruft haben wir eine zentrale Systemuhr. Der Kompromiss ist, wenn die dezentralen Uhren synchronisiert werden. In diesem Fall spricht man auch von einem Isochronen Betrieb. Bei einem zentralen System-Manager oder auch dem Isochronen Betrieb können unterschiedliche Abtastraten der einzelnen Signale berücksichtigt werden, indem einzelne Signale häufiger als andere abgerufen werden.

Zeitgesteuert

Bild 19: Zeitgesteuert

Die ganze Kommunikation wird also nicht mehr von der Anwendung gesteuert, sondern nur noch von der Kommunikation selber, oder genauer vom System-Manager oder Scheduler. Dieser System-Manager ist somit für die korrekte Funktion einer solchen in strenger Echtzeit arbeitenden Installation sehr wichtig.

 

Zykluszeiten

Bild 20: Zykluszeiten

Ein zeitgesteuertes System arbeitet oftmals mit festen Zykluszeiten. Die Zykluszeit der Sensoren müssen kürzer sein als die Zykluszeit des Bussystems, und die Zykluszeit des Bussystems muss kürzer sein als die Zykluszeit der Steuerung. Die Belastung der zyklischen Daten auf dem Netzwerk sollen noch Zeit für azyklische Dienste frei lassen. Ebenso sollte die Variation der Zykluszeit, der Jitter, kleiner als 5% der Zykluszeit bleiben.

DEFINITION Zykluszeit (cycle time): Zeit zwischen zwei Meldungsübertragungen oder Ausführungen.

DEFINITION Äquidistanter Zyklus: Die Zykluszeiten sind konstant (mit einem minimalen Jitter im 0/00 Bereich).

DEFINITION Isochroner Zyklus: Die Zykluszeiten der betroffenen Teilnehmer in einem Netzwerk sind synchronisiert.